Urteil zu Reputationsmanagement
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Bundesverfassungsgericht zum Recht auf Vergessen
Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts „Recht auf Vergessen I“, der ergänzt wird durch den Beschluss vom selben Tag „Recht auf Vergessen II“, betrifft einen Rechtsstreit, der zwar im Anwendungsbereich des Unionsrechts liegt, das aber von den Mitgliedstaaten verschieden ausgestaltet werden kann. Das Bundesverfassungsgericht hat deshalb die Grundrechte des Grundgesetzes angewandt und einer Verfassungsbeschwerde gegen ein Urteil des Bundesgerichtshofs stattgegeben.
Dieser hatte eine Klage des Beschwerdeführers abgewiesen, die sich gegen die uneingeschränkte Bereitstellung von mehr als 30 Jahre zurückliegenden Presseberichten in einem Onlinearchiv wandte, in denen unter namentlicher Nennung über dessen Verurteilung wegen Mordes berichtet wurde.
Das Bundesverfassungsgericht hat zunächst seinen Prüfungsmaßstab im Kontext des Unionsrechts präzisiert. Danach prüft es dann, wenn Fachrecht unionsrechtlich nicht vollständig vereinheitlicht und in den Mitgliedstaaten unterschiedlich ausgestaltet ist, dessen Auslegung primär am Maßstab der Grundrechte des Grundgesetzes, auch wenn daneben gleichzeitig die Unionsgrundrechte gelten. Einer ergänzenden Prüfung der Unionsgrundrechte bedarf es dementsprechend nur, soweit konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Schutz des Grundgesetzes nicht ausreicht.
Zur Sache entschied das Bundesverfassungsgericht, dass sich Schutzansprüche gegenüber der Verbreitung von alten Presseberichten in einem Online-Archiv nach einer Abwägung der sich gegenüberstehenden Grundrechte richten, bei der der Zeit unter den Kommunikationsbedingungen des Internets besonderes Gewicht zukommt („Recht auf Vergessen“). Dabei ist zu berücksichtigen, wieweit dem Verlag Mittel zu Gebote stehen, zum Schutz der Betroffenen auf die Verbreitung der alten Berichte im Internet – insbesondere auf deren Auffindbarkeit durch Suchmaschinen bei namensbezogenen Suchabfragen – Einfluss zu nehmen. Beispielhaft nannte das Gericht die Möglichkeit, den jeweiligen Bericht bei Schutzbedarf zu pseudonymisieren, um sowohl den Schutz des Betroffenen zu gewährleisten, als auch dem fortwährenden Interesse der Öffentlichkeit - und damit der Pressefreiheit - Rechtung zu tragen. Gestützt werden derartige Ansprüche in Abgrenzung von dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung auf die äußerungsrechtlichen Schutzdimensionen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts.
Zur vollständigen Pressemitteilung des BVerfG hier.